Anders sein
Gott sei Dank gibt es ja Freundinnen, auch für mich. Es fällt mir zwar wie immer schwer, die Zeit für sie zu finden, aber da wir alle immer viel zu tun haben und sie auch im Spektrum der Sensibilität eher auf der Plusseite zu finden sind, ist das für sie o.k.
Es gibt ja Tage, da könnte ich mich selbst zerfleischen und die Welt in Schutt und Asche legen - nur weil ich eine bekloppte Trulla am Telefon hatte, die meinte, all ihren Frust bei mir abladen zu müssen. Es ärgert mich unendlich, daß die mich zusammengefaltet hat, mir sinnloses Geschwätz eines (leider schlecht informierten) Anwalts als Wahrheit verkaufen will und mir auch noch sagt, was ich zu tun habe. Und typisch HSP: ich wußte es bei ihrem ersten Satz, quasi das Stöhnen vor den ersten Worten machte mir schon klar, daß das jetzt lustig werden wird.
Chefchen hat uns für seine drei Wochen Urlaub auch noch schöne Eier gelegt und so hieß es heute unter anderem: räumen Sie doch mal bitte jetzt (also in den nächsten Minuten) dieses Büro aus. Vielen Dank.
F...HSP. Aber ehrlich.
Ich wäre soooo gerne so richtig gleichgültig. Ich hätte soooo gerne die Fähigkeit, Dinge direkt abzuhaken. Ich würde gerne in Menschenmassen und bei Lärm ruhig bleiben können. Ich würde gerne mal Langeweile empfinden und im Außen Reize suchen müssen. Muß das schön sein.
Verdammt nochmal, es soll mir einmal, nur ein einziges Mal egal sein, was andere denken, wie sie mich sehen, wie es ihnen geht und ob irgendwas an der Situation ungerecht ist.
F...HSP.
Ich habe Mrs. Simplify erzählt, wie mich das mitnimmt zu hören, was andere Kinder über die Artikulation der Kleenen sagen. Ich war dabei, negative Begriffe zu finden.
Mrs. S. meinte nur: Sag es so - sie ist anders.
Und ich so: Ich weiß...
Es ist nicht jeder Tag gleich. Manchmal ist es echt hart. Es sind meine eigenen Dämonen, Prägung, aber eben vor allem diese Konstitution, die mir vieles im Leben schwerer machen als es sein müßte. Und ich arbeite hart dagegen an.
Vielleicht der falsche Weg? Gestern schaute ich in „Walk with me“ rein, einen Film über das Leben in Plum Village, DER Hochburg der Achtsamkeit. Nach wenigen Minuten hatte ich so eine Ahnung, ein merkwürdiges Gefühl... Das Gefühl der Wahrheit, so möchte ich es nennen. Ein wahrer Gedanke macht immer ein warmes Gefühl, gibt einem Ruhe. Auf einmal flossen die Tränen...
Ich bin bestimmt keine, die in Plum Village dauerhaft leben könnte (zumindest NOCH nicht). Aber Aspekte darf ich mir annehmen und in mein Leben integrieren, weil Denken eben genau das ist, was HSP-Probleme verstärkt oder eben sogar verursacht. Ich muß raus aus dem Teufelskreis aus Angst und Selbstkritik. Vermutlich braucht es dazu einen Trick - konzentriere Dich auf deinen Körper und darauf, was du gerade tust, dann kann das Chaos nicht unendlich werden, dann bleibst du auf der Erde...
An vielen Tagen kann ich mir auf die Schulter klopfen und erstaunt erkennen, was ich erreicht habe, trotz oder gerade wegen meiner Konstitution. Heute ist leider kein solcher Tag. Die Laus auf der Leber ist riesig und ich könnte heulen.
Es tut gut, Blog zu schreiben.
Ich sage mir, daß alles aus einem Grund passiert und daß ich es so gut mache wie ich kann. Ich wünsche mir, daß ich mehr Atemübungen machen kann oder einfach mal nur beobachten wie ich Alltägliches tue, die Zähne putze oder ähnliches... aber selbst das macht mir heute Druck...