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Als ich gestern im Wartezimmer der Gyn.-Praxis saß, sprengten die Streßanzeigen in Oura die Skala. Irgendwas im Raum piepte die ganze Zeit, es war wie auf der Intensiv. Ich kann das nicht lange aushalten. Es ging nicht nur mir so, deshalb kam ich mit einer anderen Dame ins Gespräch. Sie war das erste Mal da und hatte viel Gutes gehört. Ich meinte: viele kommen mit der Ärztin nicht klar, aber wenn man sie gutfindet, nimmt man lange Wartezeiten in Kauf, weil man selbst viel Aufmerksamkeit erhält. (Die Dame kam mir später augenverdrehend entgegen, nehme an, es ist auch ihr letzter Termin gewesen?)
Eine junge Frau weinte bitterlich im Treppenhaus, aber außer mir ignorierten das alle gekonnt. Ich bin mit einem Becher Wasser rausgegangen und habe gefragt, ob ich was für sie tun kann. Typisch östrogendominiertes Wesen, hat sie um Entschuldigung gebeten. Oh Mann, die Welt ist crazy.
Habe wieder Stunden dort zugebracht, obwohl ich quasi den zweiten Termin an dem Tag hatte. Aber wegen einiger Probleme (technischer und menschlicher Natur) waren sie zu dem Zeitpunkt schon so in Verzug, daß ich wirklich Mitleid mit den Frauen mit Mittagsterminen hatte.
Stunden später, um 110 Euro für Eigenleistungen erleichtert, war ich dann immerhin klüger als zuvor. Die Brust-OP ist ein voller Erfolg gewesen. (Witzig, daß die Ärztin jetzt so tut, als sei sie schon immer von dem Verfahren überzeugt gewesen. Ich mag sie ja, weil ich prinzipiell sehr gut mit ihr kommunizieren kann, aber ich habe ein zu gutes Gedächtnis, um ihre kleinen Lügen dann nicht zu bemerken. Sie hat mir erzählt, daß im Moment Frauen nach konventionellen Brust-OPs und mit Drainage direkt am OP-Tag nach Hause geschickt werden. Wir haben nur mit dem Kopf geschüttelt. Meine KK hat die OP bezahlt, weil ich quasi-stationär aufgenommen war. Ambulante OP: keine Kostenübernahme. Ich hätte ja auch eigentlich eine halbe ;-) Drainage vertragen können, aber wenn man eine hat, ist das Infektionsrisiko noch viel höher und bei großflächigen Schnitten sind Blutungen viel wahrscheinlicher als beim Sondeneingriff. Aber genau dieses konventionelle Verfahren hatte sie mir empfohlen bzw. mich dazu gedrängt? Wäre ich Lieschen Müller, hätte ich ihr geglaubt und mich unters Messer gelegt. Ich habe damals echt mit ihr kämpfen müssen. Zum Glück ist das unausgesprochenes Gesetz zwischen uns: ich mache es am Ende doch alles wie ich will und sie respektiert, daß ich informierte Entscheidungen getroffen habe. Sie hat auch anerkannt, daß selbst der Sondeneingriff nicht ohne ist wegen der Nachblutungen - tell me about it. Frau sollte wissen, daß auch das kein Spaziergang ist. Hmm, und allein die zwei Wochen Krankschreibung danach haben mich in der Firma mit einem Gespräch versorgt… nicht auszudenken, was nach konventioneller OP gewesen wäre.)
An sich kann ich sehr zufrieden sein. Habe (angeblich?) keine Hormonmangelanzeichen, meine Ovarialzyste ist weg, die Eierstöcke arbeiten noch gut. Myom an „guter Stelle“ macht keine Beschwerden. Brustzysten sind wieder einige da, die ich aber (aus Erfahrung weiß ich das) mit Jodgaben wieder verschwinden lassen kann. Mein „ehemals“ Fibroadenom würde für einen dritten Beobachter jetzt nur noch wie eine Zyste aussehen. Vielleicht wird der Rest ganz verschwinden.
Aber Du kriegst dann von einem Kopf zwischen deinen Beinen mal eben ein paar lateinische Brocken hingeworfen, ohne echte Differentialdiagnose. Ich weiß zwar, daß sie erfahren und gut informiert ist, aber ich weiß auch, daß ich jetzt tagelang grübeln werde, ohne wirklich zu wissen, ob ihre Vermutung stimmt.
Ich könnte Romane darüber schreiben, was beim Arztbesuch gestern alles gestimmt hat und was eben alles Mist gewesen ist und mein Hirn hat gut zu tun mit der Be- und Verarbeitung all dieser Dinge. Vielleicht ist das an sich schon ein Hinweis auf Östrogenmangel, den ich ja angeblich nicht habe - aber ich denke schon, daß der real ist. Der letzte Zyklus hatte nur 23 Tage. Das allein reicht als Info aus.
Die Frage ist für mich, wann Symptome und vor allem psychische Dinge auch tatsächlich Beschwerden und behandlungsbedürftig werden und nicht einfach als „werde älter, weiser, mehr ich selbst“ ausgelegt werden können. Ich habe mich schon immer stark reflektiert und ich muß aufpassen, daß ich immer noch ehrlich zu mir selbst bleibe. Vielleicht war ihre Diagnose auch einfach der Versuch, meine Fragen und eventuellen Forderungen zu blocken. Wenn frau Östrogene substituieren möchte, muß sie damit beizeiten anfangen, es dürfen noch keine Herzkreislauferkrankungen vorliegen. Ich möchte den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen.
Ich habe im Moment nicht nur eine Abneigung gegen Menschenmassenaufläufe, ich denke, es ist vielleicht mehr als das.
Man kann das ja alles erklären, mein Cheffe z.B. hat das auch seit Corona und wir sind beide chronisch krank, sodaß wir nicht unbedingt die Chance auf eine Infektion erhöhen wollen. (Ich habe eigentlich kommende Woche zwei Veranstaltungen mit hunderten teilnehmenden Menschen. Wie man im Winter, nach Beginn der Grippeperiode und beim vermehrten Kursieren von RSV und Ko. noch solche Anwesenheitsmeetings machen kann, erschließt sich mir nicht.) Werde mich, das ist erlaubt, online zuschalten.
Es ist aber nicht nur das Thema Infektionsrisiken. Ich habe keine Lust, meine Exkolleginnen zu treffen. Ich mag die Stühle im Versammlungsraum nicht, sie sind Garant für Rückenschmerzen. Ich habe noch nie gerne eng „auf“ anderen Menschen gesessen (und wir haben noch immer diese Stuhlreihen, wo alle Stühle miteinander verhakt werden). Ganz zu schweigen von: Sauerstoffmangel, ekligen Gerüchen, greller Beleuchtung, fensterlosem Raum. Ist das jetzt ein Verhalten a la „HSP paßt gut auf sich auf“ oder ist es „Östrogenmangel führt zu Rückzug, vermindertem Groomingverhalten“?
Es arbeiten immer Schilddrüse, Ovarien und Nebennieren zusammen. In den Wechseljahren muß frau beachten, daß die Balance ab und zu neu justiert werden muß. Es kann gut sein, daß ich mal wieder etwas weniger Kaffee trinken sollte und wieder mehr Jod zu mir nehmen. Ich habe extreme Erlebnisse hinter mir. Dazu kommt, daß meine Mutter mir quasi letztens in einem Satz alles gesagt hat, was ich nicht wissen wollte, aber so hinnehmen muß. Etwas, was ich wußte, aber nicht akzeptieren wollte. Der Drache hat hinterher gemeint: ‚sie hat ihr wahres Gesicht gezeigt, sie ist der egoistischste Mensch, den ich kenne.‘
Sie hat mich jahrelang angelogen. Ich mag sie nicht, muß sie aber lieben. Das zerreißt mich fast.
Am liebsten wäre ich jetzt in einem Haus mitten im Wald oder auf einer langen Wanderung. Das Gespräch in der Firma hat auch dafür gesorgt, daß ich manchmal, wenn ich mich vielleicht lieber krankmelden sollte, die Zähne zusammenbeiße und weitermache. Vielleicht sollte ich das seinlassen… Es ist ein perfides System. Gesetzlich vorgeschrieben, aber gleichzeitig auch der Wink mit der Eisenbahnschiene. Bleib ein Asset für uns, sonst könnten wir auch anders. Oh, zum Thema Mitarbeitermotivation könnte ich auch Romane schreiben. Es nützt nichts. Das Klima ist nicht unbedingt „artgerechte Haltung und ideale Bedingungen für jedes Individuum“, sondern mehr „Survival of the fittest“.