Exekutive
*Wortschwall. Eventuell Trigger*
Ach Gott... nö. Ich arbeite mich jetzt nicht ein. Das führt zu nichts. Finde mich gerade über einer Doktorarbeit brütend wieder. Sie befaßt sich mit der Verbindung Ängstlichkeit - Exekutivfunktionstörung bei Depressionen. Ich könnte da jetzt einhaken und gaaaanz viel denken. Und da ist der Haken wieder... Ja, ich sehe die Ursachen. Habe sehr gute Vorträge gehört in letzter Zeit (Weiterbildung in der Firma, extremes Privileg)... Was nimmt man mit und was kann man ändern? Was kann ich ändern? Wie kriege ich meine, seit Jahrzehnten eingebrutzelten, Streß-Kaskaden jetzt noch modifiziert? Wie gesagt, am ehesten, indem ich sie vergesse.
Was hat in all den Jahren wirklich geholfen - getting things done?
Ich habe immer einen Plan. Dr. David Burns‘ Buch „Feeling Good“ hat mir geholfen. Der beste Tip: Immer To-Do-Listen machen, auch Pausen mit einplanen, abhaken. Ein simples Ding, aber wenn ich den Rat anderen „Bedürftigen“ gebe (z.B. der Momme), wird er selten befolgt. Dabei ist es einer der Ratschläge, die tatsächlich helfen.
Und was mir vor einer Weile sehr viel gebracht hat: bei Kate Larsen gelesen (die zwar was anderes behauptet, aber auch nur wie alle anderen Ratgeber-Schreiberlinge ist): Überlege dir, wenn du ein Ziel identifiziert hast, was dich abhält, es zu erreichen. Hört sich auch simpel an, hat bei mir aber den Durchbruch ausgelöst.
Ich wollte mich mehr bewegen. Da steht das Rudergerät. Was, verdammich, hält Dich davon ab, es zu benutzen? Rudern war langweilig. Was kann ich tun, damit es nicht mehr langweilig ist? Treibende Beats auf die Ohren geben... seitdem ist das Rudern eher Freude als Last.
Und so war es auch mit dem Essen. Wir alle wissen, wir dürfen mehr grünes Gemüse essen. Warum tun wir es nicht? Mich hat der Gang in den Bioladen genervt. Der in der Nähe hat sich so negativ verändert, die Angestellten da sind unmöglich. Jedes Mal ging es mir schlecht hinterher. Der andere, tolle Laden ist viel zu weit weg. Und immer mit Kind hinfahren? Also habe ich alle Biolieferanten gecheckt, die mir hierher was schicken könnten. Kisten, Abos usw. Und siehe da, ich kriege mittlerweile Biogemüse und vieles andere von einem Händler, der eine halbe Stunde entfernt sein Lager hat. Nicht alles ist regional produziert, aber wir sparen den Umweg über einen Laden und ich habe keinen Streß mehr mit dem Einkaufen. Außerdem werfe ich rein gar nichts mehr weg von dem Gemüse. Es ist absolut frisch und ich bestelle nur, was wir auch wirklich essen. Leider kann man das nicht bei jeder Biokiste erwarten. Ich habe mittlerweile vier verschiedene getestet und diese jetzt ist ideal.
Es gibt immer wieder die Tage, wo ich mich (hormonell bedingt) alleingelassen und minderwertig fühle, aber prinzipiell habe ich vieles besser im Griff als noch letztes Jahr. Es war ein absolutes Glück (aber wie bescheiden habe ich mich gefühlt im Sommer!), daß ich auf die Maus jeden Mittag aufpassen „muß“. Sie hat sehr viele Hausaufgaben und mehrere Apps, die bearbeitet werden müssen. Ihre schulischen Leistungen sind wie erwartet sehr gut, sie ist sehr fröhlich, kann entspannen nachmittags. Erstklässler sind meist richtig groggy nach der Schule. Sie fällt auf die Couch und kann nicht mehr, gerade nach Sport, was hier wirklich zwei Zeitstunden lang Rennen und Springen bedeutet. Sie sagt mir von sich aus, daß sie mit der Logopädie-App arbeiten möchte. Ihre Aussprache hat sich gewaltig verbessert, nur das „R“ ist noch nicht ganz da. Noch im Sommer rief uns die Lehrerin in die Schule und erkundigte sich, ob wir zur Logopädie gehen. Die Expertin hat Recht behalten: mein Kind macht das alles alleine (mit mir zusammen).
Man muß wohl manchmal zu seinem Glück gezwungen werden...
Ich werde mich nicht im Januar erneut um einen Hortplatz bewerben. Einmal lange, herzzerreißende Begründungen zu schreiben, hat mir gereicht. Bei einer Einrichtung gab es noch nicht einmal eine Absage. (Man muß davon ausgehen, daß ein Nicht-Ja gleich Nein bedeutet. So ist das hier, erklärte die doofe Nachbarin mit einem Gesicht, als käme ich vom Mond.)
Es ist schwer, mal die Zeit für ganztägige Weiterbildungen oder Urlaub allein zu finden, auch Krankheitstage sind ein Problem. Trotzdem sehe ich unser Konzept mittlerweile als Privileg und werde es nicht ändern, wenn ich nicht muß.
Plan für heute (sonst sitze ich abends noch im Nachthemd hier): Wohnung (mit Putzplan, der auch sehr hilft) in Schuß bringen, Bodentest machen. Die Lütte springt wie ein Reh durch den Wald und will bei allem helfen. Ich war nicht so als Kind, ich wollte am liebsten meine Ruhe, am liebsten im Bad eingeschlossen. Aber ich kannte auch nur Schreierei und Androhung von Gewalt, „deine Kinder sind schuld“, „ich gehe weg“, „was kannst/weißt du überhaupt“, „sitz gerade“, Angst, wenn der Erzeuger den Schlüssel im Schloß drehte, Momme und ihr „laß mich los/laß mich in Ruhe“... Von einem Schlag an die Wand fliegen oder Ewigkeiten ein rotes Ohr haben... Blicke, die töten könnten. Und dann kommt dieser Mensch, der mich systematisch abgewertet hat und meine Mutter und Schwester auch und will meine „Aufmerksamkeit“ oder wie sagte seine Freundin: „laß ihn doch ein kleines bißchen an Deinem Leben teilhaben“? Nö, ich mag nicht mehr. MIR geht es besser ohne. Die Momme behauptet heute auch, SIE habe mich nie geschlagen. Das tut auch weh, aber ich glaube ihr wirklich, daß sie es nicht mehr weiß. Sie ist sehr weit von mir entfernt, physisch und emotional. Ich bin erwachsen jetzt und mache mein eigenes Ding. Da sie sich für ihre alte Heimat und gegen uns entschieden hat, stehe ich nicht mehr endlos als Trostspenderin oder Zuhörerin zur Verfügung. Es geht nicht beides. Für sie wäre ich gerne da bzw. etwas in mir würde mich zwingen, wäre sie hier, für sie zu sorgen. Jetzt geht es nicht, nicht so, wie ich es gerne hätte. Hier könnte ich sie zu meinem Experten bringen, zu guten Ärzten usw. Aber an mir lag es nicht und ich muß das auch loslassen.
Ach ja. Ich habe keine Fragen mehr... Ursache und Wirkung. Ich weiß, warum ich ein ängstlicher Typ bin und warum mich alles streßt. Warum ich Probleme habe, in die Gänge zu kommen und warum ich am liebsten alles perfekt machen will.
Ich lache darüber. Ich schaue mir an, was das Leben in meine Richtung schmeißt, Dinge, die für mich (!) unerträglich sind. Lärm, Enge, Konflikte... Wie ich Dinge als Möglichkeit wahrgenommen habe und diese dann genau so eingetroffen sind. Wie der Streßtest doch jedes Mal wieder perfekt an den richtigen Schrauben dreht. Wie ich immer, aber wirklich immer bei wichtigen Terminen „unpässlich“ bin oder in der Nähe von Klos bleiben muß... Man könnte heulen, wäre es nicht so lustig und so passend. Ich schaue mir das an und nehme es wahr. Und dann sage ich: sch... drauf, Du bist nicht hier, um Spaß zu haben. Das ist eben so. Wenn Du Dir vorstellst, Du hättest jetzt Krebs, wie wichtig wäre das Problem dann? Oder vom Ende des Lebens aus betrachtet? Was soll auf meinem Grabstein stehen (hmm, will ja keinen, aber das ist eine andere Sache)? ‚Sie war stets angespannt und bemüht?‘ Bin ich speziell? Nein, jeder ist es oder keiner. Ich lebe gerne ein mittelmäßiges, kleines Leben. Das einzige, was ich wirklich unbedingt möchte, ist, daß meine Kleene glücklich ist und daß sie sie selbst sein darf.