Ich bin satt.
Eigentlich ging es MIR, mir persönlich, in der letzten Zeit einigermaßen. Ich hatte mich berappelt, mit den Einschränkungen durch Corona kam ich wieder zurecht. Das Feld hilft, die Aussicht auf eine Aufgabe und auf das selbstgezogene Gemüse.
Aber heute... es ist nicht mein Tag. Alles ist selbstverständlich für die anderen, alles ist ja ach so easy!
Du erzählst EINMAL was Persönliches im Skypemeeting und beißt dir nachher wieder auf die Lippen... Sie sind alle eiskalt. Keine Reaktion. Gar keine. Auch von der Dame, die bestimmt behauptet, mit dir bekannt und vielleicht auch befreundet zu sein.
Der Chef, dem du die Lage dargelegt hast, schriftlich und mündlich, mehrfach, hat schon wieder vergessen, warum du dann und dann Gleitzeittage brauchst, daß dein Mann nochmals operiert werden muß usw. Er äußert sich auch nicht. Und wenn, dann kommen Totschlagargumente. Sei froh, daß Du jetzt keine Krebspatientin bist. Allen anderen Eltern geht es jetzt genauso. Sagt einer, der keine Ahnung hat, aber immer eine Meinung.
Lacher erntest Du, weil du jetzt, nachdem „schon alles vorbei ist“ (äh, nee), du doch das Leihgerät kriegst, das für das Mobile Arbeiten notwendig ist. Dabei hast du dich als eine der ersten darum gekümmert, hast mehrfach nachgefragt. Daß du nur dafür sorgen wolltest, daß du stets der Firma deine Arbeitskraft zur Verfügung stellen kannst, das wird nicht gesehen und auch nicht kommentiert. Vielleicht solltest du mal weniger denken und vorsorgen und wie die anderen nur das sehen, was vor der Nasenspitze passiert.
Jeden Tag machst du Überstunden, jeden verdammten Tag, obwohl du gesagt hattest, daß das jetzt nicht geht wegen der Kinderbetreuungssituation. Der Chef gibt dir dennoch Extraaufgaben, die in der normalen Arbeitszeit nicht zu schaffen sind.
Sie treffen sich zu einem Präsenzmeeting, mit Mittagessen, in einem Raum, in dem man die Abstandsregeln unmöglich einhalten kann. Du suchst dir eine Ausrede (das Leihgerät ist eine gute) und fragst dich: was ist mit denen los???
Ich sehe es so: wenn wir Lockerungen haben, dann für alle und gerecht. Wenn. Das Wörtchen Wenn. Und dann, schau dich mal um, wie die Leute sind... Das ganze Ding kann gehörig gegen den Baum gehen. Ich sehe jeden Tag so idiotische Dinge. Leute, die sich viel zu nahe kommen, einer ohne Maske haucht den anderen an... Masken unter der Nase, gar keine Maske, volle Parks, Schlangen vor Geschäften, feuchte Handschuhe (dazu könnte ich lange Abhandlungen schreiben, auch zum Abnehmen von Masken, Visieren und und und)...
Baumärkte sind ja ach so wichtig (ja ja, die Bauindustrie), und die Autoindustrie erst, aber die Kinder sind einfach egal. Ich habe die Regeln lange Zeit gut kapiert, jetzt nicht mehr. In unserer Kita ist jeder berechtigt, Notbetreuung zu beantragen, aber wer bekommt sie? Der, der die Anträge als erster für Wochen eingereicht hat? Das ist schon richtiger Mist.
Was mich immer fertigmacht, wenn ich es zulasse, das sind die Gedanken, ob ich IHR gerechtwerden kann. Ich habe Salzteig gemacht und mit ihr Gemüse gesät. Wir gehen spazieren und wir tanzen, malen und backen. Aber alles ist immer mit Überzeugungsarbeit verbunden. Die Aufmerksamkeitsspanne ist gering. Motivation ist Mangelware. Sie hat Angst vor Corona und Angst vor der Schule, Angst vor vielem. Sie ist schreckhaft. Sie braucht mehr als das, was wir ihr bieten können. Und wenn wir morgen oder übermorgen (heute hat es geregnet, morgen macht die Bibo. wieder auf) mal wieder auf den Spielplatz gehen sollten, dann reicht das auch noch nicht aus. Drei Tage Kita hatten ihr so gutgetan. Sie war ein neuer Mensch danach. Ich kann ihr die Spielkameraden nicht backen...
Heute habe ich es satt. Ich bräuchte mal einen Tag Ruhe. Alleinsein. Geht aber nicht. Heute ist auch klar, daß der Wanderurlaub tatsächlich nicht stattfinden wird. Wieder Urlaubstage in den Sand gesetzt, da wir ja davon nicht zurücktreten dürfen. Wie viele Wochen noch muß ich mich zerreißen zwischen Arbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung? Es ist nicht das, was ich tue. Ich tue viel weniger als andere, das ist auch klar. Es geht darum, was ich eigentlich tun möchte und was ich bieten möchte. Manchmal bin ich auch einfach im Eimer und kann gar nichts mehr machen.
Es ist schwer für mich, den Kopf oben zu behalten, wenn der Drache so durchhängt. Soll er die Schmerzen tatsächlich noch vier Wochen lang aushalten? Er kann nicht heben, sich nicht bücken, nicht lange laufen... Und mit ihm lasse ich das Kind zu Hause? Andererseits, wie schaffe ich meine Arbeit neben dem telefonierenden Drachen und dem spielenden Kind??? Manches Rätsel zur Zeit ist einfach unmöglich zu lösen, unterm Strich steht aber immer: STRESS. Die Nachbarn mit ihrem Trockner und ihrer Musik tragen auch ihren Teil bei... Ich überlege, wie ich zurückschlagen könnte. Sehr erwachsen, ja, das sind die aber auch nicht.
Es ist schon klar, daß die Hormone heute wieder hingelangt haben, aber es ist auch nicht so, daß ich keine Gründe hätte, um satt zu sein...